Meine RäderFahrberichte Scorpion

Fahren mit dem Scorpion

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Hier möchte ich ein wenig über das Fahren mit dem Scorpion von HP Velotechnik berichten. Es geht hier nicht um Reiseberichte, sondern eher darum, wie es sich mit dem Rad fährt. Welche Probleme tauchen auf, welche Vor- und Nachteile hat das Rad, und so weiter …

Es wird hier auch nicht so viele Fotos geben, sondern ich werde hauptsächlich in Textform berichten. Immer wenn ich ein passendes Foto gemacht habe, werde ich es natürlich auch hier einbinden.

24.07.07, die ersten 1.000 Kilometer

Nun sind noch nicht einmal 4 Wochen vergangen, und schon habe ich die ersten tausend Kilometer auf dem Tacho des Scorpions stehen. Nun gut, es sind nur 941 km; aber heute regnet es den ganzen Tag und da schreibe ich lieber ein bißchen, als draußen naß zu werden. Trotzdem, deutlicher kann ich kaum zeigen, wieviel Spaß mir das Fahren mit dem Rad macht.

Dabei war es nicht unbedingt ein mustergültiger Start, den ich mit dem Scorpion hatte. Schon nach nur 10 Kilometern verbog sich der Umwerfer und ich konnte nur mit zwei Kettenblättern weiterfahren. Außerdem bin ich es eindeutig zu schnell angegangen, was mir in den ersten Tagen jede Menge Knieschmerzen eingebracht hat. Daher schon mal eine Empfehlung an alle anderen, die mit dem Liegeradeln beginnen: anfangs nur kurze Strecken und nicht zu schnell.

Mittlerweile haben sich meine Kniegelenke an die neue Belastung gewöhnt und ich kann auch längere Strecken beschwerdefrei fahren. Mit den Muskeln bin ich noch nicht ganz so weit. Nicht nur, daß ich ohnehin dieses Jahr wenig trainiert war. Beim Liegeradeln werden auch noch ganz andere Muskeln beansprucht, als auf einem herkömmlichen Rad. Zudem muß man alles aus den Beinen treten. Das führt dazu, daß meine Beine immer noch recht schnell schlapp werden. Aber Besserung ist in Sicht, immerhin schaffe ich bereits jetzt Runden von 50 bis 80 Kilometer mit demselben Schnitt wie auf meinem alten Rad. Ich denke mal, nach weiteren tausend Kilometern werde ich mich komplett umgestellt haben.

Nicht nur ich fühle mich auf dem Scorpion wohl

Aufnahmestandort:
N 52° 39′ 47.31″, O 9° 18′ 21.65″
Nicht nur ich fühle mich auf dem Scorpion wohl

Was das Fahren auf einem Lieger angeht, so hatte ich vielleicht etwas überzogene Erwartungen an die Geschwindigkeit. Auf flacher Strecke ohne Wind ist man etwas schneller als auf dem Upright (neudeutsch für herkömmliches Fahrrad), aber es ist nicht der Quantensprung den ich erwartet hatte. Es sind vielleicht 2-3 km/h, die ich zugelegt habe. Nach weiterem Training werden es vielleicht 5 km/h sein. Ein gutes Stück von dem Vorsprung wird aber am Berg wieder vernichtet, und dazu reichen schon gemächliche Steigungen. Hier wird noch einiges Training nötig sein, um mit meinem alten Rad mithalten zu können.
Die Stunde des Liegers schlägt aber, wenn es bergab geht! Und auch hier reicht ein gemäßigtes Gefälle, um den Geschwindigkeitsrausch zu erleben. Selbst im eigentlich flachen Norddeutschland finden sich genug Stellen, an denen ich mühelos bis an die 50km/h Marke komme. Ich freue mich schon richtig auf die erste Tour in den Süden der Republik. Dort werde ich Gefälle finden, die dann sicher auch für deutlich mehr gut sein werden.

Als falsch stellen sich auch meine Vorstellungen bezüglich Gegenwind beim Liegeradfahren heraus. Liest man doch immer wieder, daß Gegenwind dem Liegeradler überhaupt nichts ausmacht, er ihn praktisch gar nicht bemerkt. Das ist natürlich Quatsch. Natürlich bemerkt man den Gegenwind, und es ist auch anstrengend, ständig gegen den Wind zu fahren. Aber die Anstrengung spielt sich auf einem wesentlich höheren Geschwindigkeitslevel ab, als auf dem Upright. Selbst bei 5bft mit noch stärkeren Böen kann ich recht gut mit 18 bis 20 km/h fahren, wohingegen ich mit meinem bisherigen Rad bei solchem Wind schon mit der 12km/h Marke kämpfen mußte.
Man könnte nun meinen, daß dasselbe auf Rückenwind zutrifft. Daß man also auf dem Upright mehr vom Rückenwind profitiert als auf dem Lieger. Warum auch immer, mir scheint, es ist nicht so. Rückenwind treibt mich auf dem Lieger genauso an wie auf dem Upright. Mag sein, daß mich mein Gefühl hier täuscht, macht aber nichts, da das für’s Wohlbefinden und den Fahrspaß viel entscheidender ist als die nackten Zahlen.

Wo ich schon beim Fahrspaß bin, hatte ich schon geschrieben, wieviel Spaß das Scorpion macht? Die tiefe Sitzposition führt zu einem GoKart-ähnlichen Fahrvergnügen. Und das gute Fahrwerk des Scorpion mit recht weit auseinander liegenden Vorderrädern (~80cm Spurweite) lässt einen geradezu nach der nächsten Kurve suchen, um die man herumräubern kann. Die maximale Kurvengeschwindigkeit liegt sehr hoch, so hoch, daß ich mich bisher nicht getraut habe, an diese Grenze zu gehen.

Viel unproblematischer als ich befürchtet hatte ist übrigens die Übersicht im Straßenverkehr. Sicher, aufrecht hat man mehr Überblick. Aber auch im dichten Verkehr in Hannover fühlte ich mich nicht besonders unwohl. Etwas schwer ist nur der lässige Schulterblick, weil man nicht aufrecht genug sitzt. Unverzichtbar sind deshalb die Spiegel, die mein Händler mir zum Glück schön weit außen montiert hat. Allerdings sind Fahrradspiegel viel zu klein und haben einen riesigen toten Winkel, weshalb man auf den Blick nach hinten oft nicht verzichten kann. Dazu muß man sich aber ein wenig im Sitz aufrichten, ansonsten kommt man mit dem Hals nicht weit genug rum.

An dieser Stelle möchte ich noch über ein paar Besonderheiten des Liegeradelns berichten, die aber möglicherweise nur das Scorpion betreffen. Vielleicht auch nur mein Scorpion, denn bei 1,98 m Körperlänge ist auch mein Scorpion länger als manch ein anderes. Und das macht sich z.B. beim Wenden bemerkbar. Der minimale Wendekreis wird nämlich nicht vom äußeren Vorderrad beschrieben, sondern vom äußeren Pedal und dem Kettenblatt. Gerade beim Wenden auf einer Straße mit parkenden Autos ist hier Vorsicht geboten, sonst hat man schnell eine Schramme in einen Kotflügel gerammt, obwohl man mit den Rädern noch rum gekommen wäre.

Ein weiteres Problem meiner Größe ist, daß auch meine Schuhe größer sind als bei anderen Menschen. Deshalb kann es schon mal vorkommen, daß ich mit dem Hacken auf dem Boden aufsetze, vor allem bei quer verlaufenden Rinnen und Bodenwellen muß ich ein wenig aufpassen. Schlimm ist das aber nicht, es könnte nur die Schuhsohle darunter leiden.

Radeln mit Begleitung

Aufnahmestandort:
N 52° 40′ 53.84″, O 9° 28′ 29.54″
Radeln mit Begleitung

Gewöhnungsbedürftig ist auch das Radeln mit anderen Leuten, die nicht auf Liegerädern unterwegs sind. Aufgrund des Höhenunterschieds schaut man sich nicht mehr in die Augen und man muß auch ein wenig lauter sprechen.
Perfekt ist es aber, wenn ich mit meiner 8-jährigen Tochter unterwegs bin. Sie ist zwar auf ihrem Kinderrad nun etwas größer als ich, aber der Unterschied ist viel geringer, als wenn ich ebenfalls aufrecht radle. Dadurch können wir uns viel besser unterhalten.

Und ein weiterer Vorteil des Scorpion ist: man kann viel besser einen Hund an der Leine führen. Was bei Zweirädern zum Problem werden kann, nämlich wenn ein Hund zu unruhig ist und ständig zur Seite zieht, ist auf dem Scorpion sehr lässig zu beherrschen.

Kurz vor Schluß möchte ich noch auf einen echten Mangel des Scorpions hinweisen: die DualDrive-Nabe. Nicht, daß sie nicht einwandfrei ihren Dienst versehen würde oder daß ich auf die zusätzlichen Gänge verzichten wollte. Aber sie macht bei holperigem Straßenbelag einen Höllenlärm. Vor allem, wenn man sich rollen lässt (im 2ten Gang auch beim Mittreten) hört es sich teilweise an, als wenn keine einzige Schraube am Hinterbau fest wäre und alles poltert.
Von anderen DualDriveLern weiß ich, daß dieses Problem nicht bei jeder Nabe auftritt, aber bei sehr vielen. Hier sollte SRAM unbedingt nachbessern.

Ansonsten bin ich mit der Technik meines Scorpions sehr zufrieden. Die Schaltung arbeitet sehr ruhig und präzise und die Bremsen sind schon fast gefährlich, so gut ziehen die. Dadurch, daß zwei Vorderräder gebremst werden, schafft man eine unglaubliche Verzögerung, man sollte das aber nicht ausprobieren, wenn hintendran noch jemand anderes radelt oder gar ein Auto ist, denn dann kann es sicher gefährlich werden.
Übrigens: zwei getrennte Bremsen für die Vorderräder sind ein echter Vorteil. Vor allem wegen der guten Dosierbarkeit der hydraulischen Magura-Scheiben ist es überhaupt kein Problem, gleichmäßig zu bremsen. Dafür hat man in schnellen Kurven den Vorteil, daß man gezielt mit dem kurveninneren Rad stärker bremsen kann. So zieht es einen regelrecht in die Kurve hinein. Und auch wenn man mal nur eine Hand frei hat zum Bremsen, weil die andere z.B. gerade ein Eis festhalten muß, ist das unproblematisch. Solange man nicht gerade eine Vollbremsung machen muß kann man sehr leicht Gegenlenken.

Abschließend noch ein paar Worte zu den bevorzugten Jagdrevieren des Scorpions. Auf Straßen mit gutem Belag fühlt sich das Krabbeltier natürlich am wohlsten. Auch gut befestigte Wege mit wassergebundener Oberfläche sind gut zu fahren. Aber wehe denn, es handelt sich um gröberen Schotter. Das mag das Scorpion überhaupt nicht und zwingt zu langsamer Fahrweise. Auf mittige Grasnarben auf dem Weg sind nicht sein Ding, Kopfsteinpflaster ebensowenig. Unangenehm sind auch Betonpisten mit schlechten Fugen oder gar Absätzen zwischen den einzelnen Platten.
Da ich bevorzugt auf guten Straßen unterwegs bin, habe ich die serienmäßigen Schwalbe Marathon Racer draufgelassen und diese auch bis zum Maximaldruck von 6 Bar befüllt. Wer häufiger auf schlechteren Pisten unterwegs ist, sollte vielleicht auf Big Apples mit weniger Luftdruck fahren. Das kann ich aber nur mutmaßen, da ich es noch nicht ausprobiert habe.